Die beiden Kindergeschichten, die Sie nachfolgend lesen können, stammen aus meinem Kinderbuch

"Wolkenkinder Geschichten"


Erste große Reise

 

Es war an einem wunderschönen,  sonnigen Tag, als der Wolkenvater zu seinen beiden Wolkenkindern, Nele und Stina, sagte, dass es nun so langsam an der Zeit sei, die Welt kennen zu lernen.

„Sobald der Wind etwas auffrischt, werden wir gemeinsam auf große Reise gehen. Wir werden sehen, in welche Richtung uns der Wind treibt, ob nach Süden, Osten, Norden oder Westen.“

„Was meinst du damit, lieber Papa?“ - fragte Nele, das ältere Wolkenkind.

„Was heißt, dass wir auf große Reise gehen, gefällt es dir hier nicht mehr?“

„Doch, doch, Nele, aber wir sind Wolken, wir sind auf der ganzen Welt zu Hause, nicht nur hier. Bisher seid ihr beide zu klein gewesen, um ständig unterwegs zu sein und um die Erde zu ziehen.

Jetzt aber seid ihr groß genug, wir müssen uns langsam auf den Weg machen.

Ihr werdet viele Länder, hohe Berge und große Meere entdecken, ihr werdet Wüsten und Sümpfe sehen.“
„Was Berge sind weiß ich, aber was sind Meere, was sind Wüsten und Sümpfe?“ – fragte Stina ihren Vater.

„Meere sind riesengroße Gewässer, so wie der See, den du dort unten siehst, nur viel, viel größer. Man kann stundenlang über ein Meer hinweg fliegen.

Wüsten sind große Landflächen, die vollkommen trocken sind. Dort wachsen keine Bäume und Sträucher, dort gibt es auch keine Seen und Bäche, oder Flüsse.

Sümpfe sind genau das Gegenteil, das sind Landstriche, die nass und schlammig sind. Ihr werdet das alles kennen lernen, wenn wir auf Reisen gehen.“

„Es wird euch gefallen, das alles zu sehen“, sagte die Wolkenmama zu ihren Kindern.

„Werden wir dann die Sonne nicht mehr treffen?“ – fragte Stina.

Da mussten die Eltern laut lachen.

„Doch Stina, die Sonne ist auf der ganzen Welt zu Hause, auch der Mond und die Sterne, ja selbst der Regenbogen, euer Taufpate. Sie werden uns überall hin begleiten.“

Da waren die beiden Kinder beruhigt, denn Sonne, Mond, Sterne und natürlich der Regenbogen, waren ihre besten Freunde; diese wollten sie nicht missen.

Langsam wurden Nele und Stina neugierig und fingen an, sich auf ihre erste große Reise zu freuen.

Jetzt musste nur noch Wind aufkommen, damit sie sich auf den Weg machen konnten, ein Wind, der sie ordentlich antrieb.

Da hörten sie ihn auch schon anrauschen. Der Wind blies aus Norden, das hieß, sie gingen in Richtung Süden auf die Reise.

Die beiden Wolkenkinder hüpften los, ließen sich von dem Wind richtig wirbeln, hin und her werfen und jubelten dabei vor lauter Freude.

„Hoppla“, rief Nele, „jetzt habe ich doch glatt einen Purzelbaum über Stina gemacht und die hat ganz verdutzt geschaut.“

Stina musste laut lachen und schlug ihrerseits einen Purzelbaum über ihre Schwester, so ging das eine ganze Weile hin und her. Die Eltern hatten Mühe, ihnen zu folgen und die beiden nicht aus den Augen zu verlieren.

Es ging über Dörfer und Städte, über Felder und Wälder.

Das alles kannten sie ja schon, bis sie auf einmal riesige Berge vor sich sahen. So etwas hatten Nele und Stina noch nie gesehen.

Das hier waren Bergriesen, wie sollten sie da nur hinüber kommen? Nun bekamen sie doch etwas Angst und verlangsamten ihre Reise.

„Papa, müssen wir über diese Berge, wie sollen wir das denn schaffen?“ – fragte Nele.

„Keine Angst, Nele, das ist nicht schwierig. Im Gebirge gibt es ganz besondere Winde, die tragen uns einfach über diese riesengroßen Berge. Wir müssen uns nur alle an den Händen nehmen, damit wir uns nicht verlieren, denn diese Winde sind oft sehr stürmisch und etwas unberechenbar“, antwortete der Vater.

Schon waren sie vor den Bergen angekommen. Die Mama forderte die Kinder auf, sich an den Händen zu nehmen und auch den Eltern die Hände zu reichen.

„Haltet euch gut fest und lasst nicht los“, sagte die Mama noch einmal – und schon ging es los.

Huiiiii - sauste der Wind vorbei und nahm die Wolkenfamilie mit, hob sie hoch in die Lüfte.

So hoch waren die beiden Kinder noch nie geflogen, sie merkten, wie es immer kälter wurde. Langsam fingen sie an zu bibbern, hielten sich aber krampfhaft an den Händen fest, genau wie die Mutter es ihnen aufgetragen hatte.

Der Wind war stark und wild, sie wurden ganz schön durcheinander geschüttelt, auf und ab gedrückt, dann wieder hin und her gezogen, es war eine wilde Wolkenfahrt.

„Mama, ich friere sehr, warum ist es hier so kalt?“ – fragte Stina. 

„Wir fliegen sehr hoch, da ist es immer kalt. Schau doch, unter uns liegt Schnee. Bald sind wir auf der anderen Seite des Gebirges, dort liegt das Land Italien.

In Italien ist es viel wärmer, dann wirst du das Frieren schnell vergessen haben“, antwortete die Mutter.

Kaum hatte sie es ausgesprochen, spürten sie auch schon, wie die Reise wieder bergab ging und es langsam wärmer wurde.

„Das war aber eine stürmische Reise über die Berge, geht das immer so wild zu?“ – fragte Nele ihren Vater.

„Nein, nicht immer, oft kommen wir auch gemütlicher über das Gebirge. Manchmal jedoch ist es noch schlimmer und turbulenter“, antwortete dieser.

Ein ordentlicher Wind hatte sie nun gepackt und in Windeseile kamen sie vorwärts.

Bald hatten sie das Meer erreicht.

Als die Kinder es zum ersten Mal erblickten, wurden sie ganz aufgeregt.

„Welch ein riesengroßer See, ist das vielleicht das Meer?“

„Ja meine Kinder, das ist das Meer. Seht nur, soweit unsere Augen schauen können, bis an den Horizont, ist alles Wasser und es ist sehr, sehr tief.

Hohe Wellen halten das Meer immer in Bewegung. Wenn diese Wellen auf das Land treffen, dann laufen sie noch ein kleines Stück über den Strand, huschen dann wieder in das Meer zurück.

Hört ihr die Wellen rauschen?“

„Ja, wir hören sie rauschen, es klingt wunderschön“, antwortete Stina. Sie schaute ganz gebannt dem Spiel der Wellen zu.

Dann zogen sie über das Meer, weil Papa meinte, dass sie heute noch bis zu der kleinen Insel kommen müssten. Dort hatte er meistens übernachtet, als er noch alleine unterwegs war.

Auf einmal bemerkte Nele, dass sie langsamer vorwärts kam, sie fühlte sich nicht mehr leicht.

„Was ist nur los mit mir, wieso werde ich auf einmal so schwer?“ – beklagte sie sich.

Papa antwortete: „Ach ja, das ist so, wenn wir Wolken über das Meer fliegen. Dann nehmen wir die Feuchtigkeit auf, die vom Meer hoch steigt und werden immer schwerer.

Wenn wir anschließend wieder über das Land ziehen, lassen wir die Nässe als Regentropfen auf die Erde fallen.

Darüber freuen sich Blumen, Bäume und alle Pflanzen, selbst die Menschen, weil sie alle den Regen zum Leben brauchen. Haben wir uns ausgeregnet, sind wir wieder so leicht, wie zuvor.“

Bald kamen sie zu der kleinen Insel und freuten sich auf eine längere Rast.

„Vielleicht werden wir ein paar Tage hier verweilen, dann könnt ihr euch von eurer ersten großen Reise erholen“, meinte Papa.

Als sie näher kamen, sahen sie, dass das Land sehr trocken war.

„Wie gut, dass wir so viel Wasser mitgebracht haben“, meinte die Mama. „Jetzt werden wir ordentlich viel Regen auf die Erde schicken.“

Die Wolkenkinder waren überrascht, als sie fühlten, wie die Regentropfen aus ihnen heraus drängten und auf das  trockene Land fielen, wie sie selbst dabei immer leichter wurden.

Die vielen Blumen auf der Insel aber fingen an zu lachen und freuten sich über den Regen, den sie so dringend benötigten.

Auch die Bäume, Sträucher und alle Pflanzen in den Gärten freuten sich riesig über die vielen Regentropfen, die sie von der Wolkenfamilie geschenkt bekamen.

„Das ist aber lustig“, meinte Nele, „das macht richtig Freude. Schau nur, wie die Blumen alle lachen, die Bäume winken uns mit ihren Ästen zu und bedanken sich für den Regen.

Es ist schön, wenn man andere so sehr erfreuen kann, man freut sich mit.“

Bald waren die beiden Wolkenkinder leer geregnet und wieder federleicht.  Bei den Eltern dauerte es etwas länger, bis sie alles Wasser aus sich ergossen hatten, schließlich waren sie auch viel größer und hatten demzufolge auch viel mehr Wasser aufgesogen.

„Jetzt sind wir aber sehr, sehr müde“, stellten die beiden Kleinen fest.

„Das war eine sehr anstrengende Reise, wir waren den ganzen Tag unterwegs.

Es wird langsam dunkel, sieh nur, der Mond schaut schon herüber“, meinte Nele.

Sie stellte dabei fest, dass es Zeit war, sich schlafen zu legen.

„Sind die Sterne auch da?“ – fragte sie ihre Eltern.

„Aber ja, die Sterne sind auf der ganzen Welt zu Hause, sie sind überall da, wo auch wir sind“, antwortete die Mutter.

„Lass es noch ein wenig dunkler werden, dann siehst du sie.“

„Da bin ich aber froh“, meinte Nele, „dann werden uns die Sterne auch hier unser Sternenbettchen bauen, damit wir gut schlafen können.“

Kurz darauf ließen sich die ersten Sterne blicken und schickten ihre kleinen lachenden Strahlen schnell zu den Wolkenkindern.

Da sie sahen, wie müde die beiden waren, bauten sie ihnen sofort ihr Sternenbettchen, so konnten Nele und Stina sich einkuscheln.

Mama und Papa wollten ihnen noch eine kleine Geschichte erzählen, aber die beiden Wolkenkinder waren so schnell eingeschlafen, dass sie nichts mehr davon  mitbekamen.

In der Nacht träumten beide von ihrer ersten großen Reise.

 

 


Der große rote Ball, mit den vielen weißen Tupfen

 

Heute war ein wunderschöner, warmer Herbstnachmittag. Die Luft war herrlich, die Sonne stand hoch am Himmel und lachte mit allen Blumen, mit den Bäumen und Gräsern, auch mit Nele  und Stina.

„Mama, schau mal“, sagte Nele zu ihrer Wolkenmama. „Schau, dort unten am Waldrand liegt etwas Rotes, was sehr lustig aussieht, mit den vielen weißen Punkten darauf. Was ist das?“

„Wo, mein Kind, wo liegt etwas Rotes mit weißen Punkten?“

„Dort Mama, dort unten, genau dort, wo der Wald beginnt, rechts von dem kleinen See.“

„Ach ja, jetzt sehe ich es, das ist ein  großer Ball, Nele. Damit spielen die Kinder der Menschen sehr gerne im Sommer, draußen im Garten oder auf der Wiese.“

„Was machen die Menschenkinder mit einem Ball?“ - fragte Stina, die nun auch dieses rote Etwas, mit den weißen Punkten darauf, entdeckt hatte.

Dieses rote Etwas hatte bei Stina großes  Interesse geweckt.

„Ihr müsst den Kindern auf der Erde einfach einmal zusehen. Dann werdet ihr sehen, wie sie einen Ball in die Luft werfen und wieder auffangen, wie sie ihn sich gegenseitig zuwerfen und nicht fallen lassen dürfen. Manchmal lassen sie ihn auch auf die Wiese rollen und laufen hinterher. Die Kinder sehen immer sehr vergnügt aus, wenn sie mit einem Ball spielen, es muss ihnen sehr viel Freude bereiten.“

„Ich möchte auch einen Ball haben und dann mit Nele damit spielen. Ich könnte Nele den Ball zuwerfen und sie müsste ihn fangen. Das wäre lustig.

Mama, darf ich mir den Ball dort holen?“ - fragte Stina ihre Mutter.

„Nein Stina, das darfst du nicht. Dieser Ball gehört einem Menschenkind, es würde ihn vermissen, sicher wird es ihn schon suchen.

Man darf nichts nehmen, was einem nicht gehört", gab die Wolkenmutter ihrem Kind zur Antwort.

„Außerdem spielen Wolkenkinder nicht mit Bällen, die sind nur für Menschenkinder gedacht.“

„Ich werde Papa fragen, wenn er wieder zurück ist“, meinte Stina trotzig, denn allzu gerne hätte sie doch diesen wunderschönen Ball.

„Er wird ihn sicher für mich holen, denn er hat mich lieb.“

„Ich habe dich auch sehr lieb, mein Kind, aber man darf nun einmal nicht das Eigentum anderer nehmen. Da wird dir auch dein Vater nichts anderes sagen – und jetzt ist Schluss damit!

Tollt noch etwas herum bei diesem schönen Wetter heute.“

Nele und Stina waren ein bisschen enttäuscht, denn dieser rote Ball mit den weißen Tupfen, ging ihnen nicht aus dem Kopf. Schließlich aber mussten sie doch darauf hören, was ihre Mutter ihnen sagte. So zogen sie recht lustlos weiter, als sie plötzlich ein leises Weinen hörten.

„Was ist das?“ - fragte Stina ihre ältere Schwester.

„Was meinst du?“

„Hörst du das nicht, es klingt fast so, als würde ein Menschenkind singen, aber doch klingt es viel trauriger und leiser, fast wie ein leises Summen.“

Da hörte Nele es auch, sie wusste sofort, dass es ein weinendes Menschenkind war.

„Da weint ein Menschenkind“, sagte sie zu ihrer Schwester. „Komm, lass uns schauen, wo das Kind ist und warum es weint.“

Sie zogen etwas schneller am Himmel entlang, immer diesem leisen Weinen nach. Da sahen sie auf einmal ein kleines Mädchen auf einer Wiese sitzen.

Das Kind saß dort ganz alleine auf einem großen Stein und weinte vor sich hin.

„Komm Stina, wir werden zu dem Mädchen gehen und fragen, ob wir ihm helfen können.“

„Aber Nele, wir können doch nicht mit den Menschenkindern reden, die verstehen uns doch nicht, wir sind doch Wolken.“

„Oh doch, Stina", meinte Nele dann. „Wenn ein Menschenkind sehr traurig ist, dann kann es die Wolkenkinder verstehen. Das hat mir Mama einmal erzählt.

Dieses Mädchen ist sehr traurig, sonst würde es nicht weinen, also kann es uns auch verstehen und wir können ihm sicher helfen.“

Das war neu für Stina, sie war sehr erstaunt. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass Menschenkinder mit Wolkenkindern reden können.

Sie  wurde ganz aufgeregt und wollte sofort zu dem kleinen Mädchen.

„Nicht so schnell, Stina“, meinte Nele, „sonst erschrickt das Kind und läuft davon, dann können wir ihm nicht  

helfen. Wir rufen erst einmal ganz leise und werden immer ein bisschen näher gehen.“

„Wie rufen wir denn?“ - fragte Stina, „wir kennen doch seinen Namen nicht.“

„Ich mache das schon“, sagte Nele und rief ganz leise:

„Hallo Mädchen, huhu, sag, warum weinst du denn?“

Das Mädchen reagierte nicht, sie waren wohl noch ein bisschen zu weit weg und Nele hatte zu leise gerufen.

„Hallo Mädchen, können wir dir helfen, warum weinst du denn so bitterlich?“ - rief Nele nun ein wenig lauter.

Siehe da, das Kind hielt kurz mit dem Weinen inne und schaute sich um, sah aber niemanden. Es weinte weiter, diesmal noch bitterlicher.

Stina zerriss es fast das Herz, das Mädchen tat ihr so leid und so rief sie nun lauter als ihre Schwester:

„Schau, hier sind wir, hier oben, wir kommen um dir zu helfen. Du brauchst nicht mehr zu weinen, jetzt bist du nicht mehr alleine.“

Das Mädchen sah sich um, schaute nach oben, aber es sah niemanden und weinte einfach weiter.

Da nahm sich Stina ein Herz, stob auf die Kleine zu und stupste sie ganz vorsichtig an der Schulter.

„Wir sind hier über dir, wir sind Wolkenkinder und wollen wissen, warum du weinst.“

Da drehte sich das Mädchen um und sah Stina direkt in die Augen, die sie ganz neugierig ansahen.

„Das kann doch nicht sein“, sagte das Menschenkind. „Ich kann doch nicht mit Wolken reden, auch habe ich noch nie gesehen, dass Wolken Augen haben.“

Jetzt mussten Nele und Stina aber doch lachen und sagten zu dem Mädchen:

„Ja was denkst denn du, wie wir sehen sollen, wohin wir fliegen? Dazu braucht man doch Augen. Auch Wolken haben Augen, nur die Menschen können sie nicht sehen.“

„Aber wieso kann ich euch verstehen, wieso können wir miteinander reden?“ - fragte das kleine Mädchen die Wolkenkinder.

„Das geht nur dann, wenn ein Menschenkind wirklich sehr, sehr traurig ist, dann kann es den Wolken seinen Kummer erzählen und schon wird er besser.“

Das kleine Mädchen vergaß völlig zu weinen, so aufregend war das Gespräch mit den beiden Wolkenkindern. Nie zuvor hatte es so etwas erlebt, auch nie davon gehört.

 „Meine Eltern haben mir aber nicht erzählt, dass man mit Wolken reden kann.“

„Das wissen die Eltern auch nicht mehr, das wissen nur Kinder - und wenn sie dann erwachsen werden, vergessen sie es wieder. 

Bist du heute zum ersten Mal so richtig traurig?“ - fragte Nele das Mädchen.

„Ja, ich bin wirklich sehr, sehr traurig und weiß nicht, wer mir helfen kann.“

„Wie heißt ihr beiden Wolkenkinder denn?“

„Ich bin Nele und das ist meine Schwester Stina – und wie heißt du?“

„Ich bin Celina und wohne dort hinten in dem kleinen weißen Haus. Dort leben auch meine Eltern und Mona, meine ältere Schwester", gab das Mädchen zur Antwort.

„Und warum weinst du?“

„Ach Nele, ich habe gestern zu meinem Geburtstag einen wunderschönen roten Ball geschenkt bekommen.

Ich habe hier draußen damit gespielt, dann kamen zwei

Jungen und nahmen mir den Ball einfach weg.

Ich habe überall gesucht, aber ich kann ihn nirgends finden. Er war so schön, noch nie hatte ich so einen großen, roten Ball.“

„Was hast du da gesagt? Ein großer, roter Ball?“

Stina sah zu Nele und beide mussten lachen. Sie erinnerten sich sofort an den wunderschönen roten Ball mit den weißen Tupfen, der dort hinten am Waldesrand lag.

„Hat er viele weiße Tupfen?“ - fragte Stina und Celina nickte.

„Ja, er hat viele weiße Tupfen, aber woher weißt du das denn?“

„Weil wir diesen Ball vorhin gesehen haben, wir sind über ihn hinweg gezogen und hätten ihn uns gerne geholt, aber wir durften nicht. Unsere Mutter hat es uns verboten, weil er nicht uns gehört und weil man nichts nehmen darf, was einem anderen gehört.“

„Wo liegt der Ball denn?“ - fragte Celina und ein kleines Lächeln huschte über ihren Mund. Die Tränen hatte sie sofort vergessen, jetzt musste sie nicht mehr weinen.

„Der liegt da hinten am Waldrand, aber das ist ein ganzes Stück weg von hier.“

„Oh je, da darf ich nicht hin, denn ich darf nicht außer Sichtweite unseres Hauses gehen, sonst werden meine Eltern furchtbar böse. Sie haben immer Angst um mich.“

„Das kann ich verstehen“, sagte Stina, „wir dürfen auch nicht außer Sichtweite unserer Eltern, denn auch sie haben Angst um uns.“

„Wie kann ich denn dann meinen Ball wieder bekommen?“ - fragte das Mädchen die beiden Wolkenkinder - „habt ihr eine Idee? “

Nele und Stina überlegten hin und her, wie sie der kleinen Celina helfen konnten. Da fiel Nele etwas ein:

„Stina, lass uns Piet, den Wind, rufen, er kann uns helfen, er schafft es, den Ball hierher zu bringen.“

„Au ja, das machen wir, er kann uns helfen, denn er hat viel Puste“, antwortete Stina.

Celina fragte, wer denn Piet sei.

„Piet ist ein Wind, er hat uns schon einmal geholfen, als wir durch eine dicke, graue Wolkendecke gefallen waren und den Weg zurück nicht mehr fanden.“

„Lasst uns alle drei ganz laut rufen, irgendwo wird er uns hören und ganz sicher auch gleich zu uns kommen“, sagte Nele. „Ich zähle bis drei, dann rufen wir ganz laut seinen Namen - eins, zwei, drei“:

„Piiieeet, Piiiiieeeet“, riefen die drei Mädchen, wie aus einer Kehle.

Noch einmal, viel lauter:

„Piiieeet, Piiiiieeeet.“

„Wo ist denn Piet?“ - fragte Celina und Stina antwortete ihr, dass er gar nicht sehr weit sein könne, denn heute Morgen wären sie ihm schon begegnet.

„Also rufen wir noch einmal, aber jetzt noch viel lauter“:

„Piiieeet, Piiiiieeeet!“

„Das waren doch Nele und Stina“, sagte Piet zu sich selbst, als er die Stimmen hörte.

„Sie werden Hilfe brauchen, da muss ich aber gleich los düsen und schauen, ob ich ihnen helfen kann.“

Piet sauste in Windeseile in die Richtung, aus der er das Rufen gehört hatte. Er wurde immer schneller, da hörte er sie noch einmal rufen.

„Von dort hinten kommen die Stimmen“, sagte Piet zu sich und düste noch schneller. Da sah er die beiden Wolkenkinder, gleichzeitig sah er auch das Menschenkind.

Piet musste eine Vollbremsung hinlegen, sonst hätte er die drei Kinder glatt weg gepustet.

Genau neben Nele und Stina kam er zum Stehen, musste erst einmal ordentlich durchatmen, weil er so außer Atem war.

„Hier bin ich, ich habe euch rufen gehört und dachte mir, dass ihr meine Hilfe braucht.“ 

„Wer bist du denn?“ - fragte er und sah dabei Celina an.

Die schaute wieder ganz verdutzt und fragte sich, wieso sie denn jetzt auch noch den Wind verstehen konnte.

„Ich bin Celina, ich suche meinen großen, roten Ball, der viele weiße Tupfen hat. Nele und Stina meinten, dass du mir helfen könntest.“

„Nun, wenn ihr wisst wo der Ball liegt, dann kann ich dir sicher helfen, wisst ihr das denn?“

„Ja“, antwortete Stina, „der Ball liegt dort hinten am Waldrand, direkt neben dem kleinen See. Du kannst ihn gar nicht verfehlen, du siehst die rote Farbe schon von weitem.

Puste ihn einfach den Weg entlang und dann den Berg hoch, das wirst du doch schaffen, oder?“

„Aber ja doch, für Piet ist nichts zu schwer“, antwortete der Wind und machte sich auch schon auf den Weg.

Huuiiii… weg war er, in Richtung Waldrand.

Die Kinder schauten ihm nach, bis er um die Ecke bog und sie ihn nicht mehr sehen konnten.

Sie warteten ein paar Minuten, starrten immer auf diese Ecke, um die er ja wieder kommen musste.

„Da, seht doch, da kommt der Ball“, rief Stina und hüpfte ganz aufgeregt hin und her.

„Ja, ja, da kommt der Ball, der hat vielleicht ein Tempo drauf", meinte Nele.

Celina wurde ganz zappelig, denn sie konnte ihren Ball noch nicht sehen.

Nele und Stina hatten es besser, sie standen über Celina und hatten somit eine viel weitere Sicht.

„Gleich musst du ihn auch sehen“, sagte Nele zu Celina – und wirklich, da sah sie ihren großen, roten Ball, wie er entlang der Straße rollte. Piet lief hinter dem Ball her und pustete und pustete, der Ball wurde immer schneller.

Dann kam der Berg, hier musste der Ball hinauf rollen.

„Das wird jetzt aber schwierig werden“, sagte Celina, „ein Ball kann doch nicht den Berg hinauf rollen.“

„Doch, das kann er“, meinte Nele, „wenn Piet kräftig pustet, dann schafft der Ball das.“

Da sahen sie auch schon, wie Piet seine Backen aufblähte. Er sammelte viel Luft, die Backen wurden immer dicker, dann pustete er mit ganzer Kraft gegen den Ball und dieser rollte tatsächlich den Berg hinauf.

Piets Backen wurden rot, so kräftig musste er pusten. Er schaffte es, der Ball hüpfte direkt vor Celina auf, machte noch einen Satz und sprang in ihre Hände.

Jetzt rollten Celina dicke Tränen über die Wangen. Es waren Freudentränen, denn sie war überglücklich, dass sie ihren Ball wieder hatte.

Er hatte auch noch alle seine wunderschönen weißen Tupfen, die mit dem Rot um die Wette leuchteten.

„Warum weinst du denn jetzt?“ - fragte Stina, „du musst doch glücklich sein, denn du hast deinen Ball wieder.“

„Ich weine einfach nur, weil ich mich so freue, Freudentränen kann man nur weinen, wenn man glücklich ist.“

Da war dann auch Stina zufrieden und sie schlug vor lauter Glück einen Purzelbaum – und noch einen – und noch einen.

„Juchhu, jetzt sind wir aber froh, denn wir konnten Celina helfen!“ - rief sie und schlug noch ein paar Purzelbäume.

„Ich danke dir, lieber Piet!“ - sagte Celina.

„Ohne Nele und Stina hätte ich meinen Ball nicht mehr gefunden, aber ohne dich hätte ich ihn nie mehr bekommen. Ich werde immer an dich denken – und daran, wie du meinen roten Ball mit dicken Backen zu mir den Berg herauf gepustet hast. Du wirst immer mein Freund sein.“

„Das habe ich doch gerne getan, kleine Celina. Es hat mir Spaß gemacht, diesen roten Ball, mit den vielen weißen Tupfen, vor mir her zu pusten und ihm das Laufen beizubringen.

Wenn du mich wieder einmal brauchen solltest, dann rufe einfach ganz laut nach mir, sofort werde ich zur Stelle sein.

Jetzt aber muss ich mich verabschieden, denn ich muss heute noch ein paar alte, dicke Wolken ordentlich durcheinander pusten, damit sie nicht einschlafen.“ 

Kaum hatte er ausgesprochen, huiiiii, da war er auch schon wieder verschwunden.

Nele und Stina mussten auch weiterziehen, ihre Mutter hatte gerade nach ihnen gerufen.

„Dann pass aber jetzt gut auf deinen roten Ball auf", riet Nele Celina, „damit er dir nicht noch einmal weggenommen wird. Wer weiß, ob Piet und wir dann gleich wieder zur Stelle wären, um dir zu helfen.“

„Das werde ich tun.

Euch danke ich von ganzem Herzen! Wir sind drei gute Freundinnen geworden. Ich werde immer nach euch Ausschau halten, wenn ich Wolken am Himmel sehe und wenn ich euch entdecke, dann werde ich euch winken. Reden können wir ja leider nur miteinander, wenn ich sehr traurig bin, aber traurig möchte ich nie wieder sein.“

„Es ist sehr schade, dass wir nie mehr miteinander reden können, aber wir möchten auch nicht, dass du traurig bist. Also werden wir uns winken, immer wenn wir uns sehen“, sagten Nele und Stina und verabschiedeten sich von Celina, die ihnen noch lange nachwinkte.

Seit dieser Zeit schaut Celina sehr oft zum Himmel und hofft, dass sie Wolken sieht.

Ab und zu ziehen Nele und Stina, mit ihren Wolkeneltern, über ihr Zuhause hinweg. Dann ist die Freude groß, die drei Mädchen winken sich zu und denken an die Begebenheit mit dem großen roten Ball, der ganz viele weiße Tupfen hat.